Veranstaltung: | Bezirksmitgliederversammlung GRÜNE JUGEND RUHR, 08.05.2021 |
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Tagesordnungspunkt: | 5 Anträge |
Antragsteller*in: | Bezirksvorstand (dort beschlossen am: 29.04.2021) |
Status: | Eingereicht |
Eingereicht: | 03.05.2021, 17:22 |
V01: Ruhrgebiet: Eine Metropole der vielen, eine Metropole der Vielfalt
Antragstext
Das Ruhrgebiet ist geprägt durch seine Migrationsgeschichten. Hier leben über
fünf Millionen Menschen aus circa 170 Nationen mit mehr als 100 verschiedenen
Glaubensrichtungen.
Denn über die letzten Jahrhunderte kamen aus unterschiedlichen Gründen immer
wieder Menschen ins Ruhrgebiet. Wie die Region heute sonst aussähe, wissen wir
nicht.
Bekannt ist vor allem die häufig sogenannte Gastarbeiter(*innen)-Bewegung der
1950er und -60er Jahre; besonders Menschen aus der Türkei, Italien und
Griechenland kamen ins Ruhrgebiet. Doch bereits in den 1880er Jahren gab es
erste Zuwanderungsbewegungen aus preußischen Provinzen. Und die Zuwanderung ist
kein rein historisches Phänomen: Zuletzt kam 2015 eine große Zahl von Menschen
neu ins Ruhrgebiet, besonders aus Syrien, Afghanistan und dem Irak.
Die Geschichten, Gründe und Verläufe sind divers: War es früher oft die gezielte
Anwerbung von Arbeitskräften aus Regionen mit wenig Perspektive für junge
Menschen, ist es in dieser Zeit vorrangig die Flucht vor autokratischen Regimen,
Kriegen und bewaffneten Konflikten oder politischer und sonstiger Verfolgung.
Menschen mit all diesen Geschichten leben hier. Aber ist das Ruhrgebiet ein
Vorbild für das Gelingen von Integration? Oft wird betont: „Multikulturalität
muss man hier nicht betonen, sie ist selbstverständlich.“ Das ist eine an sich
wünschenswerte Vision des Zusammenlebens von Personen in unserer Region. Wenn es
eine Beschreibung der aktuellen Situation ist, verkennt es aber die Realität und
strukturellen Probleme und Diskriminierungen, die es auch hier immer noch gibt.
Denn es muss anerkannt werden, welchen Vorurteilen und Diskriminierung diese
Menschen oft ausgesetzt waren und diesen Erfahrungen Raum gegeben werden.
An dieser Stelle findet keine Analyse der strukturellen Diskriminierungen statt,
sie werden als existent vorausgesetzt. Auch ist völlig klar, dass ein breites
Bündnis von Bildungsakteur*innen, Initiativen, Projekten, Privatpersonen und
sonstigen Organisationen notwendig ist und nicht nur von Akteur*innen in
politischen Gremien bewältigt werden kann, besonders nicht mit bestimmten
konservativen oder bürgerlichen Parteien (ganz abgesehen von rechtsextremen
Gruppierungen). Trotzdem darf nicht unterschätzt werden, welche Möglichkeiten
und welchen Gestaltungsraum einzelne Mandatsträger*innen und Fraktionen haben.
Treffend ist auch ein Ausschnitt aus der Nordrhein-Westfälischen Teilhabe- und
Integrationsstrategie 2030 des Ministeriums für Kinder, Familie, Flüchtlinge und
Integration des Landes Nordrhein-Westfalen:
„Den Potenzialen, Erfolgen und Vorbildern in der Migrationsgesellschaft wird in
öffentlichen Diskussionen nicht in hinreichendem Maße Beachtung geschenkt. Sie
sichtbar zu machen, ist mittelfristiges Ziel verschiedener Kampagnen, die sich
auch mit der Entwicklung von Zugehörigkeit und Zusammenhalt befassen werden und
das gemeinsam Erreichte im Bereich Integration wertschätzen.“ (MKFFI 2019, S.
20)
So eine Bestandsaufnahme ist schön und ein notwendiger erster Schritt, es müssen
allerdings konkrete Handlungen folgen. Sie müssen der Beginn des
Arbeitsprozesses für Vielfalt und Diversität sein.
Daher soll an dieser Stelle auf den politischen Gestaltungsspielraum auf
regionaler Ebene geschaut werden. Selbstverständlich ist auch in dem
Mehrebenensystem der deutschen Politik der Zuständigkeitsbereich des politischen
Gremiums auf Ruhrebene, dem „Ruhrparlament“ oder Regionalverband Ruhr, begrenzt.
Trotzdem ist der Themenkomplex rund um den Abbau von sämtlichen
Diskriminierungen und strukturellen Benachteiligungen und Rassismus, die
Verbesserung von Chancengleichheit sowie die Förderung von Sichtbarkeit und
Repräsentanz von BIPoC und sämtlichen anderen migrantischen oder migrantisierten
Menschen sowie anderen marginalisierten Personengruppen ein Schwerpunktthema und
bietet auf Ruhrebene Chancen. Denn in den meisten Feldern bestimmt die Politik
die Rahmenregeln: Sie entscheidet, wie Förderkulissen ausgestaltet werden,
welche Projekte initiiert und fortgesetzt werden und welche Thematiken überhaupt
auf der Tagesordnung stehen.
Dieser Bereich ist umfassend und kann selbstverständlich nicht aufgrund eines
kurzen Forderungskatalogs „gelöst“ werden. Jedoch gibt es einige wichtigen
Forderungen, die die Grüne Jugend Ruhr an die entscheidenden Akteur*innen auf
Ruhrebene formuliert.
- Zukünftig muss ein höherer Anteil von verfügbaren Mitteln Projekten
zukommen, die sich mit der Interkulturalität auseinandersetzen. Dabei ist
besonders wichtig, dass Personen wie BIPoC und andere marginalisierte
Gruppen selbst Teil der Projektkoordination und -durchführung sind.
- „Vielfalt“ muss die Bedeutung zugesprochen werden, die es verdient. Im
Regionalverband Ruhr trägt seit Beginn der neuen Wahlperiode der vorherige
Kultur- und Sportausschuss den Titel „Ausschuss für Kultur, Sport und
Vielfalt“. Dementsprechend soll diese Thematik gewürdigt werden und
Vielfalt in den Bereichen Kultur und Sport mitgedacht werden, jedoch auch
zusätzlich in anderen Bereichen Berücksichtigung finden. Hier muss
besonders die grüne Opposition den Themenbereich besetzen und die
Leerstelle im Koalitionsvertrag von SPD und CDU mit vielen Impulsen
kompensieren.
- Die Grüne Jugend Ruhr befürwortet die ausführliche Auseinandersetzung und
Beachtung der „Interkulturellen Handlungsempfehlungen – Interkulturelle
Arbeit im Ruhrgebiet“: Insbesondere wird in diesen Handlungsempfehlungen
auf die Aspekte Sichtbarkeit, Netzwerk und Förderprozesse eingegangen.
- Es muss kritisch beachtet werden, wer politische Entscheidungen fällt.
Immer noch ist ein überwiegender Teil männlich – BIPoC hingegen kommt bei
weitem kein repräsentativer Anteil zu. Und auch führende
Verwaltungspositionen sind nur selten von Menschen mit eigener
Migrationsbiographie oder anderen Minderheits-Merkmalen besetzt. Wir
fordern die Sichtbarkeit von Personen verschiedener Nationalitäten,
Religionen, Geschlechtern und Sexualität. Bis keine ausreichende
Repräsentanz vorhanden ist, müssen konsequent Menschen, die systematisch
benachteiligt sind, gefördert werden.
- Eine FINTA*-Quote und perspektivisch eine Vielfalts-Quote für die
Besetzung von parlamentarischen Gremien auf Ruhrgebietsebene und in den
zugehörigen Kommunen. Das gilt für alle politischen Gruppierungen.
Begründung
entfällt, Vorstellung erfolgt ebenfalls mündlich